Cello – (m)eine späte Liebe

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Cello – (m)eine späte Liebe

Perfekt

Perfekt

Manche Dinge erschließen sich einem erst im Verlauf des Lebens. So habe ich vor einigen Jahren für mich entschieden, dass ich gerne das Spielen des Violoncellos erlernen möchte. Zu diesem Zeitpunkt war ich immerhin schon 65 Jahre alt. Natürlich habe ich mich zunächst gefragt, ob ich nicht schon viel zu alt bin, um noch einmal von Grund auf mit einem mir völlig unbekannten Musikinstrument zu beginnen. Soviel vorab: Die richtige Zeit, seinen Traum in Erfüllung gehen zu lassen, ist genau JETZT! Hier möchte ich anderen mit ähnlichen Gedanken gerne ein wenig Mut machen und von meinen bisherigen Erfahrungen berichten. Soviel sei versprochen: die Geschichte geht positiv aus.

Wie alles begann

Zunächst etwas zu meiner musikalischen Vorbelastung. Als Kind habe ich in der Grundschule die unvermeidliche Blockflöte gelernt. Wie Generationen von Kindern vor und nach mir, habe ich mit dem „Gefiepe“ vermutlich Heerscharen von Erwachsenen in meinem Umfeld zur Verzweiflung gebracht. Jahrzehnte später gab es dieses erste Holzblasinstrument in meinem Haushalt noch immer, allerdings sorgfältig verpackt in der hintersten Schublade. Der schrille Ton war selbst mir zu hoch. Der satte Klang tieferer Tonlagen gefällt mir einfach besser.

Es dauerte viele Jahre, bis mir bewusst wurde, dass die Sopranblockflöte aus meiner Schulzeit noch viele tolle Geschwister hat. So kam es dazu, dass ich die erste Altblockflöte kaufte und mich um adäquaten Musikunterricht kümmerte. Diesen fand ich an der Städtischen Musikschule meines Wohnortes. Anfangs dachte ich, Musikschulen seien Kindern und Jugendlichen vorbehalten. Aber das stimmt so nicht, auch eine ganze Reihe von Erwachsenen nehmen hier noch Instrumentalunterricht. Von da an ging es bergauf mit meiner Musikerkarriere. 😉

Neben der Musik liebe ich auch schöne Hölzer. Bei näherer Beschäftigung mit der Materie wurde mir schnell klar, dass Blockflöten aus vielen Holzarten hergestellt werden. Somit dauerte es nicht lange, bis sich zu der Altblockflöte aus Rosenholz noch eine zweite aus Olivenholz gesellte. Mittlerweile spiele ich auch gerne auf einer Tenorblockflöte aus Bubinga-Holz, für deren tiefe Töne ich viel Zuneigung empfinde.

Eine Idee nimmt Form an

Was hat nun die Blockflöte mit dem Violoncello zu tun? Eigentlich gar nichts, wenn man davon absieht, dass beide Instrumente traditionell aus Holz gebaut sind. Wieso nun also Cello? Eine lange Zeit standen andere Instrumente als potenzielle Zweitinstrumente im Fokus, zum Beispiel die Klarinette. Hier mag den Ausschlag gegeben haben, dass meine Blockflötenlehrerin eine leidenschaftliche Cellospielerin ist.

Ganz praktisch stand die Frage im Raum, woher man für das musikschuleigene Erwachsenen-Ensemble noch Streicher bekäme. Ein einziges Streichinstrument, eine Geige, musste sich dort nämlich gegen ungefähr 8 Querflöten, 2-3 Blockflöten, 2 Klarinetten, ein Horn, ein Schlagzeug und ein begleitendes Klavier durchsetzen. Eine bunt gemischte Truppe also. Schnell kam der Gedanke auf, einige Probestunden bei meiner bisherigen Lehrerin zu nehmen. Sie kennt mich lange genug, kann meine Fähigkeiten einschätzen und würde mir im Zweifel auch von dem Instrument abraten, bevor ich mich komplett verrenne.

Eine erste Stunde wurde nach den Sommerferien angesetzt. Zunächst wurde ich beraten, zu welchem Geigenbauer ich gehen sollte, um ein Mietcello anzuschaffen. Für eine Leihgebühr von 25 € im Monat schloss ich also beim Geigenbauer meines Vertrauens einen Mietvertrag über ein nahezu neues Schülercello inklusive Bogen und Hülle zum Transport ab. Auch eine Versicherung war im Mietpreis inbegriffen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt verspürte ich die ersten Schmetterlinge im Bauch. War das Angst? Spannung, Nervosität, Vorfreude? Ich glaube, in diesem Moment war es eine Mischung von allem. Jedenfalls erinnere ich mich nur zu gut an diese Gefühlslage und war mir damals schon sicher, dass ich dieses Instrument auf jeden Fall lernen wollte. Ich hoffte nur, dass ich nicht zwei linke Hände dafür hätte. Das musste einfach klappen! Gleichzeitig hatte ich großen Respekt vor diesem, im Vergleich zu meinen Blockflöten, überdimensional großen Gegenstand. Anfangs hatte ich große Probleme, um nicht beim Transport oder beim Üben an irgendeinem Möbelstück mit dem guten Teil anzustoßen. Letztendlich habe ich schnell gelernt, mich mit den Ausmaßen des Instruments zu arrangieren.

Zielvereinbarungen

Meine Motivation war also sehr groß und das dürfte schon eine erste Antwort auf die Frage sein, ob man denn im Erwachsenenalter noch Cello spielen lernen kann. Zunächst kommt es nämlich auf die innere Einstellung an. Wie sehr liegt es mir am Herzen, dieses Instrument spielen zu wollen? Musikalische Vorerfahrungen sind sicherlich ein Stück weit hilfreich. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass jedes Instrument andere Anforderungen an den Übenden stellt.

Erwachsene haben sicher Nachteile gegenüber jungen Musikschülern, was die jeweilige Konzentration und Auffassungsgabe anbelangt. Das können wir aber durch die Art und Intensität des Übens zumindest teilweise wieder wettmachen. Aus uns Erwachsenen muss und wird auch kein überragender Solist mehr werden. Wir üben und spielen um der Freude willen. Dennoch sollten wir uns durchaus Ziele setzen. Das können kleine Etappenziele sein. Mein erstes Etappenziel im August war, im Dezember wenigstens ein einfaches Weihnachtslied spielen zu können. Das hat geklappt.

Mit fortschreitendem Können werden die Ziele konkreter. Dieses oder jenes schöne Stück soll sich bis zu den nächsten Ferien besser anhören. Ein besonders nettes Duett möchte man möglichst fehlerfrei mit der Dozentin gemeinsam spielen. Fernziele können sein, eines schönen Tages in einem kleinen Laien-Streichorchester mithalten zu können.

Als hilfreich habe ich die digitalen Möglichkeiten empfunden, die Lehrvideos auf YouTube bieten. Es gibt einige sehr interessante Kanäle, wo man auch einfachere Stücke anhören kann, um im stillen Kämmerlein seine Fähigkeiten zu verbessern. Klassische Stücke der Musikliteratur sind häufig für Celloanfänger bearbeitet worden, so dass man schon nach einigen Monaten auch hier das Gefühl bekommt, schon verhältnismäßig Großes zu leisten.

Eine Portion Ehrgeiz schadet nicht

Motivation ist also alles. Ein gutes Gehör wird durch das Erlernen des Cellos geschult. Im Gegensatz zur Gitarre hat das Fingerbrett des Cellos nämlich keine Bünde, an denen man sich beim Greifen der Töne orientieren kann. Durch beständiges Üben und genaues Hinhören gelingt die korrekte Intonation mit der Zeit immer besser. Von Vorteil ist es, dass die Motivation eines Erwachsenen von innen her kommt und nicht von äußeren Einflüssen dominiert wird. Wir können uns ganz vom eigenen Wunschbild leiten lassen. Das Lernen, zum Beispiel auch des vielleicht ungewohnten Bassschlüssels, regt das Gehirn an. Wo andere vielleicht die immer gleichen Fragen eines Kreuzworträtsels lösen, schafft sich der ältere Musikschüler neue Strukturen und Verknüpfungen im Gehirn und bleibt auf angenehme Weise geistig fit. Wird jeden Tag eine kurze Zeit geübt, so stellen sich bereits in Kürze die ersten Erfolge ein. Diese positiven Erfahrungen wiederum erschaffen einen gesunden Kreislauf von Leistungsbereitschaft – Motivation – Erfolg.

Mut zur eigenen Entscheidung

Vielleicht muss man zu Beginn noch mit Gegenwind, auch im familiären Umfeld, rechnen. Da wurde mit dem nicht unerheblichen Zeitaufwand, den Kosten und der möglicherweise nicht lange anhaltenden Ausdauer argumentiert. Alles gut und richtig. Ich habe dennoch nach einem halben Jahr das Leihinstrument gegen ein eigenes Cello ersetzt. Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Auch hier ist gute Beratung das A und O.

Ein Kauf im Internet wäre für mich nicht infrage gekommen. Ich wollte mein zukünftiges Instrument sehen und hören, bevor ich mich zum Kauf entschied. Dankenswerterweise bekam ich auch hier hilfreiche Unterstützung, denn selbst wäre ich damals noch gar nicht in der Lage gewesen, wohlklingende Töne auf den vorausgewählten Instrumenten beim Geigenbauer zu spielen. Nach gut zweistündigem Vorspielen und Vergleichen und der kompetenten Beratung meiner Lehrerin fiel die Wahl auf ein neues Instrument, das in Rumänien von einem Cellobauer hergestellt worden ist.

Ich wäre durchaus bereit gewesen, noch mehr Geld auszugeben. Doch wurde mir überzeugend dargelegt, dass nicht der Preis sondern das eigene Bauchgefühl, die viel gepriesene Liebe auf den ersten Blick, in diesem Fall die Mischung aus Optik und Wohlklang, den Ausschlag geben sollten. Tatsächlich fiel das zuallererst von mir favorisierte Instrument in der Preisklasse von 6.000 € letztlich durch das Raster. Mit knapp 3.500 € ist mein neues Cello im Bereich eines sehr guten Anfängerinstruments angesiedelt. Teurer und besser geht später immer noch, wenn man denn will.

Zusätzlich kommen zum Preis des Cellos unabdingbar noch die Kosten für den Bogen hinzu. Hier ist die Preisspanne von etwa 75 € bis unendlich. Es ist sehr empfehlenswert, den Bogen direkt auf dem eigenen Cello auszuprobieren. Obwohl ich noch Neuling auf dem Instrument war, oder vielleicht gerade deswegen, habe ich viele, auch sehr teure Bögen gleich nach dem ersten Versuch zur Seite gelegt. Man glaubt nicht, welchen Unterschied verschiedene Bögen auf die Bespielbarkeit der Saiten machen, wenn man es nicht selbst ausprobiert. Mit wenig Können und Erfahrung kann man die jeweiligen Eigenheiten des Bogens noch gar nicht effektiv ausbalancieren. Jedenfalls sollte man hier einige Zeit zum Vergleichen investieren. Mein neuer Bogen schlägt mit etwa 10 % der Instrumentenkosten zu Buche und ich bin sehr zufrieden mit meiner Wahl. Der Ehrlichkeit halber muss ich hinzufügen, dass ich auch heute nach zweieinhalb Jahren noch große Schwierigkeiten hätte, ein neues Instrument nebst Bogen alleine auszuwählen.

Auf Nummer sicher gehen

Empfehlenswert für die eigene Beruhigung ist der Abschluss einer Instrumentenversicherung. Für mein Instrument plus Zubehör kostet die Versicherung etwa 75 € im Jahr. Für diesen Betrag ist dann auch eigene Schusseligkeit abgedeckt, also selbst verschuldete Zerstörung des Instruments durch Unachtsamkeit. Schäden durch Unfälle, aber auch durch Diebstahl aus verschlossenen Räumen, gehören ebenfalls zum Leistungsumfang des Versicherers. Selbstverständlich muss man gewisse Regeln befolgen und nie würde ich mein kostbares Schätzchen unbeobachtet beim Einkaufen im Auto allein lassen. Gelegenheit macht Diebe. Eine Aufsichtspflicht ist hier, ebenso wie bei Kindern und Haustieren, unumgänglich. Je nach Jahreszeit können im Auto auch schnell Hitze- oder Kälteschäden entstehen. Immerhin besteht das Cello komplett aus Holz und das unterliegt Spannungen, die im schlimmsten Fall zu Rissen führen können.

Kein Ende in Sicht

An der Länge dieses Beitrags ist unschwer zu erkennen, wie begeistert ich von meinem Cello bin. Mit kurzen Worten ließe es sich vielleicht so beschreiben: Nicht ich habe das Cello gefunden, sondern das Cello hat mich gefunden. Jedem, der sich im fortgeschrittenen Lebensalter mit dem Gedanken trägt, ein solches oder anderes Instrument zu erlernen, würde ich zuraten. Zunächst sind die finanziellen Investitionen überschaubar, da man alles Zubehör für einen gewissen Zeitraum mieten kann. Früher oder später wird man erkennen, ob das Instrument zu einem passt.

Man ist nie zu alt, etwas Neues zu lernen. Wenn die Zeit reif ist, sollte man eine Entscheidung treffen. Wenn es Liebe ist, heißt es: zugreifen! Dann ist auch genügend Motivation da. Hilfe von erfahrenen Lehrern ist meines Erachtens unabdingbar, um schnell zu ersten Erfolgen zu kommen. Ein Selbststudium ist nicht empfehlenswert, will man nicht eingeschliffene Fehler später mühsam wieder ausmerzen müssen. Ziele sind wichtig, erst kleine, später vielleicht größere. Und hey, ein Instrument kann man notfalls auch noch im Seniorenheim spielen! 😉

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Über den Autor

Elke

Elke Seidel


Kakteen und Pflanzen aller Art sind meine Leidenschaft. Cello und Blockflöte sind "meine" Instrumente. Im evangelischen Kirchenchor singe ich mit. Wenn dann noch Zeit bleibt, wird sie dem Handarbeiten gewidmet.

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